Konsensusstatement zur Anwendung von intramuskulären Botulinustoxininjektionen in der Behandlung der fokalen Spastik
Unter der Mitarbeit der Österreichischen Dystonie und Botulinumtoxin-Anwendergruppe (ÖDBAG)
Österreichischen Parkinsongesellschaft (ÖPG)
Österreichischen Gesellschaft für Neurorehabilitation (OeGNR)
Einleitung
Ein fokales spastisches Syndrom kann sich im Rahmen unterschiedlicher neurologischer Erkrankungen, wie zum Beispiel nach einem Schlaganfall, einer Multiplen Sklerose oder einem Schädel Hirn Trauma entwickeln. In allen Fällen liegt eine Schädigung des ersten Motoneurons vor, die zu einer Fülle von Symptomen wie Schmerz, Muskelverhärtung und enthemmten Reflexmustern führen kann. Dadurch werden häufig Aktivitäten des täglichen Lebens, Handfunktion und Geschicklichkeit sowie Fortbewegung negativ beeinflusst.
Bisherige Therapiemöglichkeiten
Neben Allgemeinmaßnahmen stellt die Physiotherapie die wichtigste Maßnahme sowohl zur Vermeidung als auch zur Behandlung der Spastik dar. Insbesondere zur Behandlung generalisierter spastischer Syndrome stehen Medikamente zur Verfügung, die oral oder intrathekal verabreicht werden können. Aufgrund einer gleichzeitig auftretenden Muskelschwäche in benachbarten Muskeln und sedierender Effekte ist der Einsatz nur begrenzt möglich. In der Behandlung der fokalen Spastik stehen zusätzlich lokale Infiltrationsverfahren zur Verfügung. Die Injektion von Lokalanästhetika dient nur zu diagnostischen Zwecken, da die Wirkung nur über wenige Stunden anhält. Die Injektion von Phenol in den, den spastischen Muskel, versorgenden Nerven wird aufgrund von bleibenden Nebenwirkungen (chronische Dysästhesien) heute als obsolet erachtet. Lediglich bei großen und stark spastischen Muskeln können Phenol-Injektionen in die Endplattenregion in Erwägung gezogen werden. Da Phenol eine bleibende Schädigung im Muskel verursacht, sollten nur funktionslose Extremitäten mit Phenol behandelt werden.
Botulinumtoxin in der Spastikbehandlung
Botulinumtoxin ist ein Neurotoxin und wird von dem Bakterium Clostridium botulinum produziert. Das Toxin hemmt dosisabhängig die Freisetzung von Acetylcholin an den neuromuskulären Endplatten und verhindert damit eine Muskelkontraktion. Bei fokalen Dystonien und dem hemifazialen Spasmus stellt die lokale intramuskuläre Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin bereits seit einigen Jahren die Therapie der ersten Wahl dar. In der Spastikbehandlung wird Botulinumtoxin seit mehr als 10 Jahren erfolgreich eingesetzt. Es liegen placebokontrollierte und randomisierte Studien zur Behandlung fokaler spastischer Syndrome der oberen als auch der unteren Extremitäten vor. Ein Übersicht über die wesentliche Literatur gibt der 2001 von der Österreichischen Dystonie und Botulinumtoxin Anwendergruppe (ÖDBAG) herausgegebene Supplementband der Wiener Klinischen Wochenschrift „Die Botulinumtoxinbehandlung – State of the art 2000“. Die klinische Wirkung hält üblicherweise drei bis fünf Monate an, danach sind Wiederholungsbehandlungen erforderlich.
Die Entscheidung zur Anwendung von Botulinumtoxin in der Behandlung der fokalen Spastik sollte im interdisziplinären Neurorehabilitations-Team getroffen werden (Tabelle 1). Eine entsprechende Patientenselektion verbessert die Behandlungsergebnisse und grenzt die Gruppe der Patienten ein. Insbesondere sollten nur wenige Muskeln an dem fokalen spastischen Syndrom beteiligt sein. Wenn Kontrakturen bestehen, sollte es sich um dynamische Kontrakturen handeln, welche zumindest passiv aufdehnbar sind.
Therapieziele
Vor Behandlung ist im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs auf Patientenziele und -erwartungen einzugehen, um falsche / zu hohe Erwartungen und daraus resultierende Mißerfolge zu vermeiden. Therapieziele sollen in jedem Fall mit dem Patienten, den Pflegepersonen und den Therapeuten festgelegt werden. Mögliche Therapieziele sind in Tabelle 2 aufgelistet.
Arten der fokalen Spastik bei denen der Einsatz von Botulinumtoxin überlegt werden kann
Im Bereich der oberen Extremität kann der Einsatz von Botulinumtoxin bei folgenden Störungsmustern erwogen werden: (a) adduzierte, innenrotierte Schulter, (b) flektierter Ellbogen, (c) pronierter Unterarm, (d) flektiertes Handgelenk, (e) spastischer Faustschluß
Im Bereich der unteren Extremität kann Botulinumtoxin bei folgenden Mustern überlegt werden: (a) Hüftbeugerspastik, (b) Adduktorenspastik, (c) flektiertes Kniegelenk, (d) Spitzfuß, (e) Spastisches Zehenkrallen.
Grundvoraussetzungen um eine Behandlung mit Botulinumtoxin durchführen zu können
Der Arzt, der Botulinumtoxin in der Indikation „fokale Spastik“ anwendet, sollte über eine Reihe von Grundkenntnissen verfügen, die in Tabelle 3 aufgelistet sind. Genaue anatomische Grundlagen zum Verständnis spezieller Gelenksfunktionen sind erforderlich um die Behandlung gut planen zu können. Sowohl Spastik als auch Schwäche können zu einer Gelenkdeformierung führen und müssen richtig erkannt werden. Eine genaue Anamnese, Überprüfung der Funktion und eine genaue Palpation helfen die betroffenen Muskeln heraus zu finden.
Dokumentation
Abgesehen von der ärztlichen Dokumentationspflicht erfordert eine optimale Spastikbehandlung ein Mindestmaß an Dokumentation. Erfasst werden sollten: (a) Muskeltonus (Ashworth-Skala), (b) Aktives und passives Bewegungsausmaß in den benachbarten Gelenken der injizierten Muskeln (c) Schmerzintensität, (d) Funktion, (e) Therapieziel, (f) Anzahl und Dosis der injizierten Muskeln, (g) Nebenwirkungen.
Injektionstechnik
Die Rekonstituierung von BtxA erfolgt unmittelbar vor Anwendung mit physiologischer Kochsalzlösung. Üblicherweise werden Verdünnungen zwischen 1 und 4 ml pro Ampulle verwendet.
Ein Lokalanästhetikum ist bei der Behandlung von Erwachsenen nicht erforderlich. Nach Hautdesinfektion soll das beabsichtigte Volumen langsam ohne hohen Druck an 1 bis 3 Punkten pro Muskel injiziert werden.
Bei oberflächlich gelegenen bzw. gut tastbaren Muskeln ist eine anatomische Lokalisation ohne EMG oder Stimulationskontrolle ausreichend. Die Bestätigung der Nadellokalisation erfolgt durch passive Bewegungen im injizierten Muskeln. Bei tiefer gelegenen Muskeln (z.B.: Unterarm), insbesondere bei drohendem Funktionsverlust soll die Injektion nur unter gleichzeitiger EMG-Kontrolle erfolgen. Zusätzlich kann die Lage der Injektionsnadel durch eine gleichzeitige Stimulation überprüft werden. Zum Ausschluß einer Gefäßpunktion wird vor Injektion eine Aspiration empfohlen.
Dosierungen
Dosierungen müssen immer individuell bestimmt werden und sind von der Größe des Muskels, dem Ausmaß der Spastik, der Restfunktion und anderen Faktoren abhängig. Einen Überblick über häufige Dosierungen gibt Tabelle 4 im Anhang.
Maximaldosen
Derzeit sollten bei einer Behandlung Gesamtdosen von 400 mu BotoxÒ bzw 1500Ò Dysport nicht überschritten werden. Obwohl die therapeutische Breite des Medikaments wesentlich höher liegt und bei einem Großteil aller Patienten auch bei höhern Dosen nicht mit systemischen Nebenwirkungen zu rechen ist, steigt jedoch das Risiko einer unerwünschten Antikörperbildung gegen Botulinumtoxin.
Behandlungsabstände
Aufgrund einer möglichen Antikörperbildung gegen Botulinumtoxin Typ A, die eine Therapieresistenz nach sich ziehen würde, sollen Behandlungsabstände von drei Monaten nicht unterschritten werden.
Adjuvante Therapieverfahren
Das wirksamste adjuvante Verfahren ist eine gezielte Physiotherapie mit Dehnung der behandelten Muskeln.
Durch Provokation des spastischen Musters direkt nach der Injektion kann wahrscheinlich die Aufnahme des Toxins verbessert werden. Eine andere Möglichkeit der Muskelaktivierung, die repetitive Elektrostimulation der injizierten Muskulatur nach Injektion, zeigte in 2 Studien eine stärkere Toxinwirkung im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Zusätzlich kann durch Schienen, serielle Gipse und andere Vorrichtungen (Abduktionskeile etc.) ein längerfristiges Dehnung erreicht werden. Bisher nicht geklärt ist der optimale Zeitraum für diese adjuvanten Maßnahmen.
Die hier genannten Punkte lassen sich zu folgenden 8 Thesen zusammenfassen:
Botulinumtoxin A in der Behandlung der Spastik
- Der Einsatz von Botulinumtoxin A kann sinnvoll sein zur Behandlung von Patienten mit einer Spastik mit fokalen und funktionellen Problemen (Z.B. an oberen und / oder unteren Extremitäten).
- Zur Behandlung der fokalen Spastik ist der primäre Einsatz von Botulinumtoxin A vor einer systemischen Therapie zu empfehlen.
- Bei einer sich entwickelnden Spastik kann Botulinumtoxin A präventiv zur Vermeidung von Sekundärschäden eingesetzt werden.
- Die Behandlung der Spastik mit Botulinumtoxin A muss in ein multimodales Therapieprogramm eingebettet sein.
Wesentliche Bestandteile des Therapieprogramms sind z.B. Physiotherapie, Ergotherapie und Orthesen.
- Der Einsatz von Botulinumtoxin A bei der Spastik sollte durch in der Anwendung erfahrene Ärzte erfolgen.
- In der Wertung des gesamten Krankheitsverlaufes senkt die Behandlung mit Botulinumtoxin A die direkten und indirekten Kosten.
- Die Erstattung der Kosten von Botulinumtoxin A sollte in allen Versorgungsbereichen gesondert erfolgen.
- Die Behandlung erfordert qualitätssichernde Maßnahmen wie Definition der Behandlungsziele und adäquate Dokumentation der Therapie und des Verlaufs.
Tabellen
Tabelle 1: Voraussetzungen für eine Botulinumtoxinbehandlung
- Fokales spastisches Syndrom
- Weitgehend dynamische Kontraktur
- Therapieresistenz (Physiotherapie, Antispastika)
- Multidisziplinäre Evaluation
- Ausreichende Aufklärung des Patienten
Tabelle 2: Therapieziele
- Funktionsverbesserung
– Mobilität (Gehfähigkeit, Verbesserung des Gangbildes)
– Transfers
– Verbesserung der Sitzposition
– Rollstuhlmanagement
– Greiffunktion der Hand
– Loslassen von Gegenständen - Erleichterung bei Pflege und Hygiene
– Anziehen
– Hygiene und Waschen, Inkontinenz-Management
– Nahrungsaufnahme - Verbesserung der Lebensqualität
– Schmerzreduktion
– Besserung von Schlafstörungen
– Reduktion der Stigmatisierung durch spastische Bewegungsmuster
– Vermeidung muskuloskeletaler Komplikationen
– Prävention von Spasmen, Subluxation, Dekubitalulcera
– Verzögerung und Vermeidung von Kontrakturen
– Bessere Therapierbarkeit / Erleichterung von Schienenanpassung
Tabelle 3 Voraussetzungen des Botulinumtoxinanwenders
- Grundkenntnisse über die Pharmakologie von Botulinumtoxin
- Fundiertes Wissen über Wirkung, Nebenwirkungen und Umgang mit Botulinumtoxin
- Neurologische Grundkenntnisse über Spastik verursachende Grundkrankheit.
- Fundiertes Wissen über Dosierungsrichtlinien einzelner Muskeln und Maximaldosen
- Anatomische Grundkenntnisse (Ansätze und Funktionen der behandelbaren Muskeln)
- Elektromyographische Grundkenntnisse
Tabelle 4: Dosierungen
Allgemeine Aspekte:
- Maximal 50u BOTOX® / 200u Dysport® pro Injektionspunkt
- Maximal 500u BOTOX / 2000u Dysport® Gesamtdosis pro Sitzung
- EMG-kontrollierte bzw. stimulationsgesteuerte Injektion notwendig bei Unterarm- und Handmuskeln sowie beim M. tibialis posterior
- Reinjektionsintervall mindestens 10 Wochen
Achtung: Der Relation BOTOX® zu Dysport® in den unten stehenden Dosisbereichen liegt kein fixes Umrechnungsverhältnis zugrunde!
Innenrotierter und adduzierter Oberarm (cave Subluxation) | |||||||||
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Spastische Ellbogenflektion | |||||||||
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Spastische Handgelenks- und Fingerflektion | ||||||||||||
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Pronation des Unterarms) | ||||||
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„Thumb-in-palm“ Fehlhaltung | |||||||||
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Adduktorenspastik | |||
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Hüftbeugespastik | ||||||
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Kniebeuge- / -streckspastik | |||||||||
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Equinovarus | ||||||||||||
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Striatal toe | |||
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Zehenkrallen (toe flexor spasm) | |||||||||
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Informationen für Patienten und Ärzte.
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Einleitung
Der Begriff „Spastik“ stammt von dem griechischen Wort Spasmus. Es bedeutet soviel wie „Krampf“. Bei einer Spastik nimmt plötzlich und unkontrolliert die Muskelspannung (der Mediziner spricht von „Muskeltonus“) zu. Das geschieht, wenn man sich bewegt, oder er wird durch äußere Reize z.B. Hitze, Kälte, Druck, oder Schmerz ausgelöst. Das harmonische Zusammenspiel von Beuge- und Streckmuskulatur ist gestört. Feine Bewegungen fallen schwer oder werden ganz unmöglich. Überhaupt ist die Beweglichkeit oft stark eingeschränkt. Das kann bis zu einer spastischen oder schlaffen Lähmung gehen. Auch die Körperhaltung ist oft stark beeinträchtigt.
Wie kommt es zur Spastik?
Das Phänomen der „Spastik“ ist äußerst vielschichtig. Unterschiedliche Schädigungen und Defekte im Bereich des Rückenmarks oder des Gehirns, hervorgerufen durch z.B. Querschnitt, Multiple Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma oder Zerebralparesen, können verschiedene spastische Symptome produzieren. Je nach Art und Schweregrad der Spastik unterscheiden sich die therapeutischen Ziele und Maßnahmen für einzelne Patienten.
Allgemeine Therapieoptionen bei Spastik:
Wenn die Ursache der Spastik nicht rückgängig gemacht werden kann – und das ist in manchen Fällen nicht möglich – kann man die Spastik nur „symptomatisch“ behandeln. Das heißt, die Nervenschädigung selbst kann zwar nicht geheilt werden, aber ihre Folgen und Auswirkungen lassen sich behandeln bzw. vermindern. In Abhängigkeit von der Schwere der Spastik hat sich folgender Stufenplan in der klinischen Praxis bewährt:
- Krankengymnastische Therapie (z.B. Beseitigung von Störreizen; Hitze, Kälte, usw.)
- Medikamentöse Therapie bei Spastik, insbesondere bei bettlägerigen Patienten
- Orale antispastische medikamentöse Therapien
- Botulinum –Toxin – Therapie (BOTOX) speziell bei fokaler Spastik
- Intrathekale Infusionstherapie mit Baclofen – ITB™ bei schwerer Spastik
- Selten angewandte Therapien (z.B. Durchtrennen von Nervenbahnen im Rückenmark)
Intrathekale Baclofentherapie
Was kann gegen schwer behandelbare Spastik getan werden?
Bei Bewegungsstörungen, die durch schwere Spastik hervorgerufen werden und nicht oder nur unzureichend auf konservative Therapien ansprechen, kann die intrathekale Infusion mit einem spastikreduzierenden Arzneimittel eine Behandlungsalternative darstellen. Die intrathekale Arzneimittelinfusion wird schon seit den frühen 80er Jahren zur Behandlung therapieresistenter Spastik eingesetzt. Seit dem profitieren weltweit Tausende von Patienten von dieser Methode.
Wie wirksam ist die intrathekale Arzneimittelinfusion?
Die intrathekale Arzneimittelinfusion ITB™ hat sich in einer Vielzahl von internationalen Studien bei bis zu 80 Prozent der behandelten Patienten als wirksames Mittel zur Spastikbehandlung erwiesen. Außerdem ließ sich eine Verbesserung des Allgemeinbefindens der Patienten sowie eine reduzierte Einnahme von zusätzlichen Medikamenten feststellen. Dadurch konnten viele Patienten ihre Lebensqualität verbessern und wieder an den Aktivitäten des Alltags teilnehmen oder sogar an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
Aktuelle Zahlen:
Zur Zeit gibt es im deutschsprachigen Raum ca. 12.000 unzureichend behandelte Patienten mit schwerer Spastik, hervorgerufen durch unterschiedlichste Erkrankungen. Jedes Jahr kommen ca. 1500 – 2000 dazu. Durch die spezielle ITB™- Therapie können die Patienten nicht nur profitieren, sondern es können auch Folgekosten (z.B. durch operative Eingriffe, verbesserte Pflege, weniger orale Medikamente) eingespart werden. In den letzten 7 Jahren konnten mehr als 20.000 Patienten weltweit von der ITB-Therapie profitieren, davon mehr als 4.000 in Europa.
Was ist eine intrathekale Arzneimittelinfusion und wie wirkt sie?
Die Art der Arzneimittelverabreichung ist das Besondere an dieser Therapie. Hierfür wird eine kleine Pumpe unter die Haut im Bauch implantiert. In dieser Pumpe befindet sich ein Medikament, welches über einen dünnen, flexiblen Schlauch, den Katheter, direkt in den sogenannten intrathekalen Raum (Rückenmarkskanal) abgegeben wird. Dies ist ein Flüssigkeitsraum, der sich entlang des Rückenmarks erstreckt. Im Rückenmark befinden sich die Nervenzellen die die Muskelspannung steuern. Da das Medikament direkt in die unmittelbare Nähe dieser Nervenzellen abgegeben wird, kann durch die intrathekale Arzneimittelinfusion eine erfolgreiche Spastikminderung schon bei erheblich niedrigeren Medikamentendosen erreicht werden, als man üblicherweise oral (als Tabletten) einnehmen müsste. Dadurch können die Nebenwirkungen, die oft mit anderen Therapien einhergehen, auf ein Minimum reduziert werden.
Das SynchroMed® Infusionssystem
Der Arzt kann das intrathekale Arzneimittel¬infusionssystem SynchroMed® der Firma Medtronic verschreiben. Dieses Gerät gibt es seit vielen Jahren und es ist weltweit bereits bei mehr als 20.000 Patienten eingesetzt worden. Es ist ein vollständig implantierbares und programmierbares System, das aus zwei Teilen besteht (Katheter und Pumpe). Der Katheter ist ein dünner, flexibler Schlauch. Ein Ende ist an die Pumpe angeschlossen, das andere Ende wird in den Flüssigkeitsraum am Rückenmark (intrathekaler Raum) platziert. Die Pumpe beinhaltet einen Arzneimittelvorrat und gibt automatisch die programmierte Menge des Arzneimittels durch den Katheter ab.
Der Arzt kann das SynchroMed® Arzneimittel-infusionssystem aufgrund der folgenden Vorteile auswählen:
Klein – Das SynchroMed® Arzneimittelinfusions-system ist zur Zeit das kleinste elektronische Infusionssystem der Welt.
Programmierbar – Ihr Arzt kann die Menge und den zeitlichen Ablauf der Medikamentenabgabe durch die Pumpe schnell und einfach mit einem kleinen, computerähnlichen Programmiergerät einstellen. Ihre Spastiktherapie kann dadurch individuell angepasst und jederzeit optimiert werden.
Sicher – Das Programmiergerät berechnet genau das Datum der nächsten Auffüllung. Sollten Sie doch einmal den Auffülltermin vergessen haben, erinnert Sie die Pumpe durch einen Alarmton daran.
Häufig gestellte Fragen
Wie kann ich sicher sein, dass die intrathekale Arzneimittelfusion bei mir wirkt?
Ihr Arzt wird eine Testbehandlung vornehmen, bei der Sie die Vorteile der intrathekalen Arzneimittelinfusion kennen lernen können, bevor Sie entscheiden, ob eine SynchroMed® Pumpe bei Ihnen implantiert werden soll. Dieser Test kann ambulant durchgeführt werden oder Sie können für kurze Zeit ins Krankenhaus eingewiesen werden. Der Test dauert im Allgemeinen wenige Tage. Entweder erhalten Sie eine oder mehrere kleine Injektionen in den intrathekalen (rückenmarksnahen) Raum oder es wird für die Dauer des Tests ein Katheter in den intrathekalen Raum gelegt, der an eine externe, außen am Körper getragene Pumpe zur Abgabe des Arzneimittelsmittels angeschlossen wird.
Warum wirken intrathekale Arzneimittel anders als Tabletten?
Bei der intrathekalen (rückenmarksnahen) Arzneimittelinfusion wird das Medikament direkt an dem Bereich des Rückenmarks abgegeben, wo die Nervensignale übertragen werden.
Im Unterschied dazu haben oral eingenommene Medikamente einen systemischen Effekt. „Systemisch“ bedeutet, dass das Medikament den ganzen Körper „überflutet“, anstatt nur konzentriert an einer Stelle zu wirken. Dieses verursacht oft Nebenwirkungen, wie Schläfrigkeit, Verstopfung und Verwirrung, weswegen der Arzt Ihnen vielleicht keine höheren Dosen der oral eingenommenen Arzneimittel verschreiben kann.
Kann ich durch die Pumpe die Einnahme anderer Arzneimittel verringern oder einstellen?
Ihr Arzt wird feststellen, ob Sie noch weitere Medikamente einnehmen müssen. Bei vielen Patienten mit intrathekaler Arzneimittelinfusion kann die Einnahme anderer oraler antispastischer Arzneimittel zumindest reduziert werden. Um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten Sie keinesfalls eigenmächtig Änderungen in Ihrer Medikamenteneinnahme vornehmen. Bitte folgen Sie den Anweisungen Ihres Arztes.
Welche Risiken bestehen bei der intrathekalen Arzneimittelinfusion?
Komplikationen mit SynchroMed® Infusionssystemen sind selten und treten nur bei sehr wenigen Patienten auf. Wie bei jedem anderen chirurgischen Eingriff bestehen auch bei der Implantation eines Infusionssystems Risiken, wozu beispielsweise Infektionen gehören. In manchen Fällen kann es zu einem Verschieben und Verstopfen des Katheters kommen; in ganz seltenen Fällen kann auch die Pumpe aufhören zu fördern. Bedingt durch diese möglichen Komplikationen kann die Spastiklinderung beeinträchtigt oder ganz unterbrochen werden. In diesen seltenen Fällen ist zur Wiederherstellung der Therapie ein weiterer Eingriff notwendig. Ihr Arzt wird Sie über die möglichen Nebenwirkungen der intrathekalen Arzneimittelinfusion aufklären.
Ist das SynchroMed® Infusionssystem angenehm zu tragen und können andere Leute es bemerken?
Die meisten Patienten berichten, dass sie das SynchroMed® Infusionssystem nicht als störend empfinden, es keine Einschränkungen mit sich bringt und bei Bewegungen nicht behindert.
Was passiert, wenn in der SynchroMed® Pumpe kein Arzneimittel mehr vorhanden ist?
Wenn in der Pumpe kein Arzneimittel mehr vorhanden ist, kehrt Ihre Spastik zurück und Sie werden entsprechende Symptome verspüren. Ihr Arzt kann durch eine Überprüfung mit dem Programmiergerät während der Kontrolluntersuchungen feststellen, wann die Pumpe aufgefüllt werden muss. Er wird Ihnen einen Termin zum Auffüllen geben, bevor die Pumpe leer ist. Falls Sie einen Termin zur Auffüllung versäumen sollten, ist in der Pumpe ein Alarm eingebaut, der anschlägt, wenn das Arzneimittel zur Neige geht. Die Pumpe gibt dann ein Alarmsignal von sich. Es ist wichtig, dass Ihre Pumpe vor Ertönen des Alarmsignals wieder aufgefüllt wird. Wenn Sie den Alarm hören, rufen Sie Ihren Arzt an, um eine sofortige Auffüllung der Pumpe zu veranlassen.
Woher weiß ich, dass meine SynchroMed® Pumpe aufgrund einer Batterieerschöpfung erneuert werden muss?
Ihr Arzt kann den Zustand der Batterie während der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen mit dem Programmiergerät feststellen. Außerdem ist die Pumpe mit einem Alarm ausgestattet, der anschlägt, wenn die Batterie erneuert werden muss. Die Pumpe gibt dann ein Alarmsignal von sich. Wenn Sie den Alarm hören, kontaktieren Sie bitte umgehend Ihren Arzt.
Was passiert, wenn die Pumpe erneuert werden muss?
Für den Austausch wird Ihr behandelnder Arzt einen Operationstermin mit Ihnen absprechen.
Muss ich wegen SynchroMed® auf das Reisen verzichten?
Nein, Sie können mit SynchroMed® reisen wie immer, müssen nur an die Auffülltermine für das Arzneimittel denken. Wenn Sie für längere Zeit verreisen, sprechen Sie sich mit Ihrem Arzt ab. Er wird Ihnen sagen, ob Ihre Therapie verändert werden muss und wird mit Ihnen einen Plan ausarbeiten, um Behandlungen oder Auffülltermine während der Reise zu organisieren. Auch im Ausland kann die Pumpe aufgefüllt werden. Ihr Arzt kann vor der Reise bei Medtronic nachfragen, ob es in der Nähe Ihres Reiseortes eine Auffüllmöglichkeit gibt.
Hat das Fliegen einen Einfluss auf die SynchroMed® Pumpe?
Die üblichen kurzen Geschäfts- oder Urlaubsflüge haben keinen Einfluss auf die Pumpe. Bitte sprechen Sie Ihren Arzt an, wenn Sie einen langen Flug oder einen Flug in einem Flugzeug ohne Druckausgleich planen.
Kann ich mit der SynchroMed® Pumpe baden und duschen?
Grundsätzlich haben Bäder, Duschen oder Saunagänge keinen Einfluss auf die Pumpenfunktion. Sie sollten aber mit Ihrem Arzt über andere Aktivitäten sprechen, bei denen sich die Temperatur oder der Druck stark verändert, beispielsweise eine Anwendung mit Tiefenwärme oder Tauchen mit Atemgerät.
Welche Vorsichtsmaßnahmen sollte ich mit SynchroMed® beachten?
Mit der SynchroMed® Pumpe können Sie die meisten der üblichen Haushaltsgeräte wie Mikrowellengeräte, Fernseher, Radio, Fernbedienungen und Videospiele benutzen. Das SynchroMed® Infusionssystem kann allerdings durch elektromagnetische Felder beeinflusst werden. Deswegen sollten Sie keine Geräte mit starken Magneten benutzen. Ein Magnetfeld könnte, abhängig von seiner Stärke, mit der Pumpe interagieren. Auch verschiedene medizinische Prozeduren und Geräte können die Funktion des Infusionssystems beeinflussen. Dazu gehören Magnetresonanztomographen (MRT), Bestrahlungen und Diathermie. Informieren Sie immer Ihren Arzt, wenn Sie weitere Therapien oder Diagnoseverfahren durchführen lassen wollen.
Gibt es spezielle Anweisungen für Patienten mit SynchroMed®?
Vermeiden Sie Aktivitäten, bei denen es zu Verletzungen oder Stößen an der Implantationsstelle der Pumpe kommen kann. Es ist sehr wichtig, dass Sie alle Nachuntersuchungen einhalten.
Wo kann ich weitere Informationen bekommen?
- Ihr behandelnder Arzt kann Ihnen weitere Fragen zur intrathekalen Arzneimittelinfusion beantworten.
- Im Internet (Links siehe unten)
Das Positionspapier „Delir an der Stroke Unit“ der ÖGSF betont die Bedeutung multiprofessioneller Ansätze zur Prävention, Früherkennung und Behandlung von Delirien bei Schlaganfallpatient:innen. Es beschreibt Risikofaktoren wie Alter, Demenz und Infektionen sowie präventive Maßnahmen wie Frühmobilisierung, Schlafhygiene und sensorische Unterstützung. Ziel ist, die Prognose zu verbessern und die Delirrate zu senken. Diagnostik erfolgt nach DSM-V/ICD-10, medikamentöse Therapie nur bei schweren Fällen.
Die österreichische Gesellschaft für Neurorehabilitation hält fest, dass es sich bei postviralen Zustandsbildern (z.B. ME/CFS, Post-Covid Syndrom) um primär neurologische Erkrankungen handelt, die wenn auch noch nicht vollständig verstanden eine somatische Ursache aufweisen. Österreichische Kliniken für neurologische Rehabilitation behandeln bereits seit geraumer Zeit PatientInnen mit derartigen Folgezuständen und sehen dies als ihre Aufgabe an, analog zur Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen. Wir distanzieren uns von Tendenzen, die derartige Folgezustände als rein psychische Ursache deklarieren. Die Umsetzung möglicher medikamentöser und nicht medikamentöser Therapien zur Linderung der zum Teil beträchtlichen Beschwerden sehen wir als zentrale Aufgabe.